eGK wird vom Datenspeicher zum Schlüssel
Mit dem Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) 2.0 und der Telematikinfrastruktur (TI) 2.0 steht der nächste Meilenstein bei der Verwaltung der Versichertendaten in den Startlöchern.
Jahrzehntelang galt der Krankenschein als Nachweis für die Mitgliedschaft und Abrechnungsgrundlage für die Krankenversicherung, bis 1995 die KV-Karte mit einem Speicher-Chip als digitaler Behandlungsschein eingeführt wurde. Knapp 17 Jahre später folgte die eGK mit einem Prozessor-Chip, der eine Onlineaktualisierung und -prüfung der Versichertendaten ermöglichte. Mit der TI 2.0 steht der nächste große Entwicklungsschritt an: Wenn alles klappt, sollen die auf der eGK gespeicherten persönlichen Daten und Angaben zur Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2026 komplett online und voll virtuell verfügbar und mit einer persönlichen Gesundheits-ID auch per Smartphone nutzbar sein.
Versichertendaten werden von der eGK getrennt
Diese Entwicklung wird viele Veränderungen mit sich bringen, weiß Michael Baumgärtner: „Während im Moment die eGK noch die Versichertendaten transportiert, soll sie künftig nur noch ein Schlüssel sein. Die Krankenkassendaten werden von der Karte getrennt und virtuell an einer anderen Stelle gespeichert“, erklärt der Leiter des Produktsuitemanagements bei der AOK Systems. Allerdings werde sich schon bald die Frage stellen, warum eine Krankenkasse einen Schlüssel ausgeben muss, wenn der Staat das mit dem Personalausweis schon gemacht hat. Die medizinischen und verwaltungstechnischen Elemente seien ja schon virtuell vorhanden. „Wenn wir also mehr Effizienz im Gesundheitswesen erreichen wollen, müssen wir die eGK irgendwann abschaffen“, fordert Baumgärtner. „Die Daten kommen von der Krankenkasse und der Schlüssel wird vom Staat geliefert.“ Und wenn in zehn Jahren die Version VSDM 5.0 anstehe, könnte es durchaus sein, dass sich Versicherte in der Praxis, wie bei den James-Bond-Filmen, mit einem Fingerabdruck- oder Retinascanner oder gar über ihre Stimme Zutritt verschaffen, wagt der IT-Experte einen durchaus realistischen Blick in die Zukunft.
Komplett neue Logik erforderlich
Voraussetzung für die Zukunftsvision ist die Version VSDM 2.0, die dafür sorgen soll, dass die Verwaltungsdaten, die nicht im Personalausweis stecken, den Ärztinnen und Ärzten auf anderem Wege bereitgestellt werden können. „Das ist eine gewaltige technische Anpassung, zum Beispiel im Bestandssystem, wo wir unsere ganze Logik, die wir bisher eingesetzt haben, umstellen müssen“, unterstreicht Baumgärtner. Will man die Verbesserungen nutzen, müssten auch Komponenten, wie das Modul „Proof of Patient Presence“, kurz PoPP, für den Anwesenheitsnachweis und der Identity Provider (IdP), ein Authentifizierungsdienst für digitale Identitäten, die die eGK ersetzen sollen, mitgedacht werden. Darüber gebe es noch viele weitere offene Fragen, wie: „Wird überhaupt noch eine Karte benötigt?“, „Braucht es noch eine Karten-PIN?“, „Muss ich ein Bild einfordern, obwohl es für IdP nicht benötigt wird?“ und „Müssen alte Karten downgegraded werden?“.
Prozess stockt bei der gematik
Eine viel größeres Problem sieht Baumgärtner aktuell in dem Zeitpunkt, wann der Startschuss für das Thema erfolgen soll. In der allerersten Fassung war geplant, dass die Versionen TI 2.0 und VSDM 2.0 bereits zum 1. Januar 2025 produktiv gehen sollen. „Doch das Thema ist von den Abhängigkeiten her wesentlich komplexer, als man es vom Titel erahnen konnte.“ Jetzt stockt der Prozess bei der gematik, von der die AOK Systems die genaue Spezifikation bekommen soll. „Diese wurde uns ursprünglich bis Mitte 2025 versprochen. Durch das Ampel-Aus wird sich das alles weiter verschieben“, befürchtet Baumgärtner. Damit ist für ihn der Starttermin 1. Juli 2026 oder 1. Januar 2027 realistischer.
Längere Übergangsphase nötig
Der Leiter des Produktsuitemanagements rechnet mit einer längeren Übergangsphase, bis alle Arztpraxen in Deutschland komplett auf das neue System umgestellt sind. „Das wird nur funktionieren, wenn das neue VSDM 2.0 in dieser Zeit parallel neben der alten Version läuft und die Kartendaten weiterhin auf die Karte geschrieben und gleichzeitig online bereitgestellt werden.“ Probleme sieht Baumgärtner insbesondere durch die vielen unterschiedlichen Systeme der Praxisverwaltungssysteme, in die jede Praxis die Versichertenstammdaten, wie die Diagnosen, Behandlungen und die ausgestellten Rezepte, einträgt. Daher rechnet er nicht mit einem flächendeckenden Einsatz vor dem 1. Januar 2028.