Auch Maschinen können fühlen
Rund 80 Millionen Maschinen sind in Deutschland bereits online, allein in diesem Jahr kamen etwa 20 Millionen neu dazu. Aber im Internet der Dinge werden nicht nur Maschinen funken, sondern auch Brücken, Container, Pflaster und selbst Tiere. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig, Voraussetzung sind smarte Sensoren. Deutschland ist gut aufgestellt – allerdings ist ein landesweit funktionierendes 5G-Funknetz eine Grundvoraussetzung. Das Internet verlässt zunehmend die digitale Welt. Im Internet der Dinge kann alles vernetzt sein und Daten liefern. Diese Datenquelle ist die Voraussetzung für autonome Autos, intelligente Haustechnik oder smarte Städte. Sensoren, die sehen, hören oder fühlen, überwachen die Produktion, verringern Wartungskosten oder perfektionieren Frühwarnsysteme. Zum Beispiel die vorausschauende Wartung: Sensoren, die die Feuchtigkeit und Erschütterungen messen oder Rost und Mikrorisse erkennen können, werden zunehmend und in großer Anzahl in Brücken oder anderen Bauwerken eingebaut, um frühzeitig Verschleiß zu melden. Das erhöht nicht nur die Sicherheit, sondern senkt auch die Wartungskosten erheblich. Die Deutsche Bahn arbeitet seit einiger Zeit mit einem jungen Unternehmen zusammen, das rund 70.000 Weichen im Streckennetz mit smarten Sensoren bestückt hat, die die Temperatur, Vibrationen oder Druckverhältnisse messen, denen die Weichen ausgesetzt sind – und punktgenau vorhersagen, wann welche ausgetauscht werden muss. Und die Firma hat bereits weitere Einsatzgebiete im Blick: Industriepumpen, den Maschinen- und Anlagenbau oder auch die Medizintechnik.
Der digitale Daumen
Je nach Fähigkeiten der Sensoren ergeben sich die Einsatzgebiete. Es gibt Sensoren für Feuchtigkeit, Temperatur, Ultraschall, Bewegung oder Helligkeit. Andere Sensoren messen den pH-Wert, können Gase und chemische Verbindungen erkennen oder reagieren auf bestimmte Farben. In einem Wirtschaftsbereich, den die meisten überhaupt nicht mit Digitalisierung in Zusammenhang bringen, kommen Anwendungen, die durch smarte Sensoren gesteuert werden, inzwischen gehäuft zum Einsatz: der Landwirtschaft. Markierungen im Boden und Sensoren im Traktor sorgen dafür, dass der Pflug millimetergenau seine Bahnen zieht, automatisierte Streuer am Traktor bringen bedarfsgenau Dünger aus. Stickstoffsensoren analysieren dabei anhand der Pflanzenfarbe oder Bodenbeschaffenheit die benötigte Düngermenge. Vor dem Dreschen fliegen Drohnen die Felder ab und scannen sie per Wärmebild auf Rehkitze, die sonst vom Mähwerk zerstückelt werden. Die Drohnen können per Sensoren auch aus der Luft den jeweiligen Wasserbedarf für einzelne Feldabschnitte ermitteln. Auch im Bildungswesen könnten Sensoren zum Einsatz kommen: Am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz läuft derzeit das Hypermind-Projekt. Ziel ist ein intelligentes Physikbuch. Per Eye-Tracker merkt das Buch, ob die Texte auch vollständig gelesen werden. Eine Mini-Infrarotkamera misst die Temperatur der Nase. Fällt diese, ist es ein Hinweis auf sehr große Anstrengung – etwa, weil der Stoff zu komplex ist. Zur Unterstützung könnte dann ein Film oder eine Audiodatei abgespielt werden. Sensoren können auch helfen, die Lieferketten von Lebensmitteln lückenlos zu überwachen – etwa in Bananenkisten oder im Eis zwischen gekühltem Fisch.
In den Körper schauen
Auch in der Medizintechnik hat die Sensortechnik längst Einzug gehalten. Prominentestes Beispiel derzeit ist die Apple Watch, die mit ihrem Sensor an der Unterseite bereits verschiedene Vitalwerte misst. In den USA kann sie sogar schon ein Ein-Kanal-EKG schreiben, hierzulande wird die Funktion in Kürze aktiviert. Wie ein Patentantrag aus dem Dezember zeigt, ist Apple wohl tatsächlich kurz davor, den „Heiligen Gral“ zu finden. Dann könnte nämlich die Watch mit ihren Sensoren in Echtzeit den Blutzuckerspiegelwert im Blut bestimmen – und zwar auf der Hautoberfläche. Auch die Kölner Uniklinik hat bereits ein kleines Kästchen im Einsatz, das etwa Demenzkranke am Handgelenk tragen. Es misst verschiedene Vitalwerte, zeichnet die Bewegung auf und registriert die Reaktionen auf Medikamente – die Daten werden direkt an die Uni übermittelt und dort in Kurven und Grafiken dargestellt. Gerade für ältere Menschen oder chronisch Kranke könnte der Einsatz von Sensoren eine große Hilfe sein: Systeme, die helfen, Stürze zu vermeiden, und im Notfall Hilfe holen, oder Unterwäsche, die bei Dehydrierung warnt. Solche Anwendungen helfen den Patienten, entlasten aber auch die Angehörigen und könnten eine große Erleichterung für Ärzte sein, gerade in schlecht versorgten Gebieten. Im dünn besiedelten Finnland ist dies längst Alltag und im US-Bundesstaat Missouri gibt es ein Krankenhaus mit 300 medizinischen Angestellten und Ärzten – aber keinem einzigen Bett. Selbst Schlaganfälle werden hier telemedizinisch behandelt.
Von Tieren lernen
Eine ähnliche Herangehensweise wie die Apple Watch sind smarte Pflaster. Sie sind mit Sensoren bestückt und können so Vitalwerte messen und gleich weiterschicken. In der Entwicklung sind auch Pflaster, die zusätzlich mit Medikamenten bestückt sind und selbstständig in optimaler Dosierung Wirkstoffe etwa auf eine Wunde abgeben, die schwer heilt. Wirklich Zukunftsmusik sind Sensoren, die tief ins Gewebe eingebracht werden oder selbstständig durch die Blutbahn kreisen. Allerdings gibt es schon Menschen, die Biohacking betreiben – also die Verbindung von Technik und Körper. Von Herzschrittmachern oder Cochlea-Implantaten kennt man dies bereits. Und es gibt das Tool North Sense. Der Sensor vibriert, wenn man mit dem Finger, in dem er eingepflanzt wird, Richtung Norden zeigt. Eine Spielerei, allerdings sind alle Sensoren derzeit ausverkauft. Was es allerdings schon gibt, sind intelligente Pillen: Das sind Medikamente mit winzigen Sensoren. Diese reagieren, wenn sie mit der Magenschleimhaut in Kontakt kommen, und senden ein Signal, die eine App auffängt. Damit soll kontrolliert werden, dass gerade ältere Menschen oder Menschen mit psychischen Krankheiten immer ihre Medikamente nehmen. Für alle diese Anwendungen ist jedoch ein 5G-Netz in jedem Winkel von Deutschland nötig – und daran hapert es derzeit.
Eine wirklich innovative Anwendung kommt ohne 5G aus, dafür hat sie seit August 2018 eine eigene Funkantenne auf der Raumstation ISS. Das Projekt Icarus will zukünftig Hunderttausende Wildtiere mit Sensoren ausrüsten – vom Elefanten bis zum Flughund. Damit will man die Tierwanderungen besser verstehen und gleichzeitig mithilfe der Tiere Informationen etwa über das Wetter sammeln. Und man will vom Schwarmwissen der Tiere profitieren: Denn Ziegen am Ätna verlassen den Berg lange vor Ausbrüchen und beim großen Tsunami 2004 in Ostasien hatten sich die Elefanten lange vor dem Eintreffen der verheerenden Welle ins Landesinnere zurückgezogen.