Home, smart Home
Wenn der Sommer zu Ende geht, öffnet in Berlin die IFA ihre Tore. Vernetzte Haushaltsgeräte gibt es dort schon seit zehn Jahren zu bestaunen. Lange wurden sie nur belächelt. Inzwischen sind die Geräte nicht nur vernetzt, sondern intelligent und Smart Living ist laut Experten eine Entwicklung, die unseren Alltag grundlegend verändern wird. Gerade für die alternde Gesellschaft ergeben sich viele Möglichkeiten, länger in den eigenen vier Wänden zu wohnen.
Den intelligenten Kühlschrank gibt es wirklich. Er kann am Barcode erkennen, ob ein Produkt abgelaufen ist, und bei Bedarf Nachschub bestellen. Das muss man nicht unbedingt haben, ist aber durchaus praktisch. Wie schnell sich die Haltung gegenüber smarten Haushaltsgeräten verändert hat, lässt sich gut an zwei Produkten festmachen: dem Saug- und dem Mähroboter. Inzwischen schauen die wenigsten einen komisch an, wenn man im Partygespräch erwähnt, sich einen davon zulegen zu wollen – die meisten Partygäste können sogar gute Tipps geben. Etwa ein Viertel der Deutschen hat irgendeine smarte Anwendung im Haus. Am häufigsten sind Beleuchtungssysteme (17 Prozent), Videoüberwachung (14 Prozent) und Sprachsteuerung (13 Prozent). Es sind die kleinen Dinge, die das Leben mit intelligenten Geräten einfacher machen. So etwa der G7000: Die Geschirrspülmaschine hat Miele auf der IFA 2018 vorgestellt. Sensoren erkennen den Verschmutzungsgrad des Geschirrs und dosieren entsprechend das Spülmittel. Darüber hinaus kann die Maschine so programmiert werden, dass sie nur spült, wenn die hauseigenen Solarzellen gerade Strom liefern oder Strompreise des Anbieters besonders niedrig sind. Einer der Hauptbeweggründe, die eigenen vier Wände digital aufzurüsten: Energie, ergo Geld zu sparen.
Mit Rollläden sprechen
Noch sind die Geräte nicht billig, vom Türknopf bis zur Nachttischlampe kann jedoch schrittweise nachgerüstet werden. Dazu kommt, dass zwei Faktoren, die viele Menschen von der hauseigenen Technik abgeschreckt haben, sich grundlegend verändert haben. Erstens die Steuerung: Dies übernimmt inzwischen das Handy – und zwar viel leichter als noch vor wenigen Jahren. Einfach mit der Handykamera das jeweilige Gerät fokussieren und schon erscheint dessen Steuerungsoberfläche auf dem Handydisplay. Noch tief greifender sind die Veränderungen durch Alexa und Co. Mit der eigenen Stimme und mithilfe von Sprachassistenten lassen sich Rollläden runterfahren, die Bodenheizung einstellen oder das Licht dimmen. Und das ist erst der Anfang. Bald wird unsere Stimme die zentrale Steuerungseinheit für das vernetzte Wohnumfeld sein.
Das Haus versorgt sich selbst
Wenn wir überhaupt eine Steuerung brauchen. Smart bedeutet nämlich, dass der Mensch im besten Fall überhaupt nicht eingreifen muss. Die Rollläden stellen sich selbst je nach Sonnenstand und Jahreszeit ein. Droht ein Unwetter, fahren sie hoch, um nicht beschädigt zu werden, die Fenster schließen sich. Auch die Heizung sorgt von allein für das perfekte Raumklima, Saug- und Mähroboter ziehen still und einsam ihre Runde und hinterlassen einen perfekt sauberen Boden oder getrimmten Rasen. Nähert man sich seinem Zuhause, entriegeln sich wie von Geisterhand die Türen – auch für den zuvor freigeschalteten Handwerker, der kommt, während man selbst im Büro sitzt. In der Urlaubszeit erfordert es keine Nachbarin mehr, die nach dem Haus schaut – das macht das Haus schon selbst. Und dringt doch ein Unbefugter ein, wird man von den Kameras per Push gewarnt und kann vielleicht sogar über das Haussprachsystem den Langfinger davon überzeugen, lieber die Beine anstatt der Silberlöffel in die Hand zu nehmen.
Sicher zu Hause alt werden
Für manch einen mögen dies trotz der vielen Vorteile doch nur Spielereien sein, dazu kommt bei vielen Menschen eine diffuse Angst vor dem digitalen Eindringen in die Privatsphäre, einer heimlichen Überwachung oder dem Abschöpfen privatester Daten. Natürlich besteht das Risiko immer, aber wer Haus und Hof richtig schützt, lebt ziemlich sicher. Alles andere als eine Spielerei ist Smart Living für körperlich eingeschränkte Menschen sowie vor allem für die stetig wachsende Anzahl an älteren und pflegebedürftigen Menschen, die möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben wollen. Für bettlägerige oder stark mobilitätseingeschränkte Menschen, die so ihr häusliches Umfeld per Stimme steuern können, bedeutet dies einen enormen Zugewinn an Lebensqualität. Zum Beispiel könnten Schränke auf Anweisungen runter- und Schubladen ausfahren oder die Kleider im Schrank rotieren. Der nächste Schritt wären Roboter, die Gegenstände wie etwa ein Glas Wasser bringen können. Intelligente Systeme können dafür sorgen, dass der Herd nicht überhitzt oder alle elektrischen Geräte ausgeschaltet werden, wenn das Haus verlassen wird. Sensoren in Fußmatten oder Kleidungsstücken melden einen Sturz oder benachrichtigen ein Familienmitglied, wenn eine Person sich schon längere Zeit nicht mehr bewegt hat. In Duschen oder Toiletten könnten ebenfalls Sensoren eingebaut sein, die automatisch Vitalwerte wie den Blutzuckergehalt, Puls oder Blutdruck messen – und bei Bedarf an den Hausarzt schicken.
Eine Aufgabe für die Pflegekassen
Das klügste Haus Deutschlands steht übrigens in Hamburg. Gebaut hat es Lars Hinrichs, der durch Gründung und Verkauf des Businessnetzwerkes Xing zu einem sehr reichen Mann wurde. Hinter einer Gründerzeitfassade verbirgt sich ein Hightechhaus mit allem, was derzeit möglich ist. Mit nur einem iPad können die Wohnungen im Apartimentum gesteuert werden. Wirklich eine Spielerei, aber eine mit viel Selbstironie sind die Briefkästen, die eine Push-Nachricht schicken, wenn der Postbote etwas eingeworfen hat. Die Mietpreise sind allerdings selbst für Hamburg ganz schön happig. Und der Kostenfaktor ist insgesamt im Bereich Smart Living für viele potenzielle Nutzer noch eine Hürde. Gerade bei der Umrüstung einer Wohnung für eine pflegebedürftige Person kommt eine größere Summe zusammen. Das hat auch die Politik registriert. Bayerns Sozialministerin Melanie Huml fordert deshalb, den Leistungskatalog der Pflegekassen an die neuen Anforderungen anzupassen. Auch die großen Sozialverbände haben das Thema längst erkannt und Forschungs- und Pilotprojekte gestartet. In Augsburg gibt es inzwischen sogar den bundesweit ersten Lehrstuhl für Pflegeinformatik. Jenseits des Atlantiks ist man schon drei Schritte weiter: Google hat eigens eine Firma gegründet, die gleich Smart Citys bauen soll – die erste wird in Toronto entstehen. Und am Roten Meer will Saudi-Arabien bis 2030 rund 500 Milliarden Dollar investieren, um Neom, die Stadt der Zukunft, zu bauen. Dort sind alle Prozesse und Abläufe digitalisiert und automatisiert. KIs und Roboter sollen für einen reibungs- und geräuschlosen Ablauf sorgen.