Mission accomplished
Das Jahr 2015 markiert einen Meilenstein für die AOK Systems. Ein historischer Auftrag wurde erfüllt. Am Rande des jährlich stattfindenden großen Kundeninformationstages sprechen die beiden Geschäftsführer über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Auch über die eigene.
Die großen Rollouts sind vorbei. Was bedeutet das?
RB: Das seinerzeit formulierte Ziel, das damals noch unter dem Namen SAM lief – SAP-AOK-Master –, später oscare®, ist erreicht. Im Wesentlichen ging es um die Ablösung von IDVSII und der Client/Server-Struktur. Wir haben alle Funktionalitäten, die in den entsprechenden Sozialgesetzbüchern beschrieben sind, mit oscare® umgesetzt und in der AOK-Gemeinschaft komplett ausgerollt. Die Basis für alles, was jetzt noch kommt, ist da und kann von allen genutzt werden. Die Pflicht ist erfüllt. Mission accomplished, würde der Amerikaner sagen.
Was bedeutet das für unsere Kunden?
KS: Alle AOKs haben seit Oktober 2015 dieselbe Basis für Weiterentwicklungen. Es gibt einen Gleichstand der Software. Ein riesiger Vorteil. Das erste Mal seit 2001 exakt dieselben Ausgangsvoraussetzungen. Auf diesem Stand können wir jetzt neu entwickeln und es wird allen Kunden gleichsam zugutekommen.
Standardisierung bringt also die gewünschten Vorteile.
KS: Ja. Durch den einheitlichen Stand müssen wir nun keine Mehrfachlösungen schaffen für die unterschiedlichen Einsatzstände, sodass wir jetzt darauf basierend weiterentwickeln können. Seit mehreren Jahren arbeiten wir mit neuen, verfügbaren SAP-Technologien an kommenden Lösungen. Wir haben Spezialistensoftware für nahezu jeden Einsatzzweck in der GKV geschaffen. Software, die eine Unmenge an Möglichkeiten und Informationen zur Verfügung stellt. Man kann das mit einem Flugzeugcockpit vergleichen. Wir werden mit den Technologien z. B. in Richtung Ergonomie und Prozessgeschwindigkeit unsere Software so weiterentwickeln, dass der Sachbearbeiter für Standardvorgänge nur die Anzeige- und Schaltmöglichkeiten eines Autos hat. Die reichen dann.
Unterstützt Standardisierung auch bei der Digitalisierung, die gerade in aller Munde ist?
RB: Alle unsere Kunden haben unabhängig voneinander Digitalisierungsprojekte laufen. Wir haben die Methoden und Möglichkeiten, um das in jeder Richtung zu unterstützen. Auch hier ist es hilfreich, dass alle nun den gleichen Softwarestand haben.
Was verändert sich für die AOK Systems durch diesen Abschluss?
RB: Die großen, planbaren Rollouts der oscare®-Module, die wir in den vergangenen Jahren hatten, fallen weg. Daneben haben wir jetzt noch Rollouts vieler weiterer Lösungen, z. B. oscare® MC, und neue Vorhaben, die über die AOK-Gemeinschaft kommen, die mit unserer Unterstützung ausgerollt werden. Sie sind aber schwieriger zu planen und auch sehr volatil. Die Frage, wann die Kasse was einsetzt, ist nicht mehr ganz so statisch, wie das bei den großen oscare®-Rollouts der Fall war. In der Vergangenheit konnte hier eine Zeitleiste 2004 bis 2015 angelegt werden, auf der sich der Rollout entwickelte, weil die einzelnen Schritte auch aufeinander aufbauten. Zuerst Stufe oscare® 1.0, dann 2.1, 2.2, 2.3, 3.1 und 3.3. Das ist in Zukunft anders.
KS: Um noch mal auf den Kunden zu kommen. Für ihn ist es jetzt besser planbar. oscare® wurde in der Vergangenheit immer unter dem Druck ausgerollt, dass danach Altsysteme abgeschaltet werden konnten. Jetzt gibt es Softwareteile, die eine Kasse nicht zwangsläufig einsetzen muss. Sie schalten nichts ab bzw. nichts in großem Maße. Hier gibt es keine vorgegebene Reihenfolge und Abhängigkeiten mehr. Das macht für uns die Implementierung nicht leichter. Auf der anderen Seite unterstützt die Software, die wir jetzt entwickeln, die Digitalisierung bei unseren Kunden. Diese Vorteile möchten natürlich auch möglichst schnell erschlossen werden.
Nach zwölf Jahren Rollout: Warum haben unsere Kunden mit oscare® die beste Lösung in der GKV?
RB: In unsere Software ist einfach ein riesiges Erfahrungspotenzial durch das Know-how unserer und auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AOK geflossen. oscare® ist damit eine Komplettlösung, die alle Anforderungen des SGBs erfüllt. Und ein weiterer wichtiger Punkt ist die starke Partnerschaft mit SAP. Weltweite Trends können wir sichten und für unsere GKV-Kunden nutzbar machen.
KS: Wir liefern alles aus einer Hand. Eine vollintegrierte Lösung, die keine zusätzlichen Bestandteile benötigt. Eine Krankenkasse kann ihr Tagesgeschäft damit durchführen, inklusive der Datenaustauschverfahren, die auf oscare® zugeschnitten zur Verfügung stehen. Alles ganz ohne Zusatzlösungen.
Stehen radikale Änderungen im Kassengeschäft bevor, z. B. durch Beitragserhöhungen? Und kann IT hier unterstützen?
KS: Es wird Fusionen geben, die auch AOK-Systems-Kunden betreffen. Diese werden wir bestmöglich unterstützen. Das ist ja ein Teil unseres Geschäftes und für uns nichts Neues. Das stemmen wir gemeinsam mit unseren Kunden.
RB: Der Kostendruck in der GKV wird steigen und durch Beitragserhöhungen allein nicht abzufedern sein. Das geht nur in begrenztem Umfang. Also gibt es wieder mehr Druck auf die Kosten: Leistungsausgaben und Verwaltungskosten. Dafür bieten wir diverse Lösungen an, die auf Big Data und HANA ausgerichtet sind und die z. B. im Leistungsbereich zu Kosteneinsparungen führen können. Beispielsweise indem wir sachbearbeitungsarme Verfahren einführen.
Wo stehen wir in fünf Jahren mit der GKV-IT? Was wird dann gang und gäbe sein?
RB: In fünf Jahren ist das Omnichannelmanagement keine Diskussion mehr, sondern Realität. Der Versicherte wird über alle Kanäle, über die er kommunizieren möchte, mit seiner Kasse in Verbindung treten können. Über das CRM-System sind diese Kanäle dann so miteinander verknüpft, dass der Blick auf den Kunden vollständig und umfassend ist. Ungewisser auf der anderen Seite sind nennenswerte Entwicklungen rund um die Gesundheitskarte und die Cloud. Wir würden uns wünschen, dass es da stärker vorangeht.
KS: Die Frage ist, wie das Thema eGK hier in der Bundesrepublik nach nunmehr zehn Jahren Entwicklungen weiter diskutiert wird. Da gibt es in anderen Ländern schon handhabbare Lösungen, die auch konform mit den jeweiligen Datenschutzvorschriften sind. Ob sie hier durchsetzbar wären, ist schwer zu sagen.
Ein Beispiel?
KS: Leistungsansprüche könnten z. B. mit der eGK direkt über einen Versichertenstammdatendienst geklärt werden. Beispielsweise die Brille auf Rezept. Hier gäbe es ein großes Standardisierungspotenzial, weil hier exakt die Geschäftsprozesse nach SGB abgebildet werden müssen. Die gesamte Architektur könnte man anders aufbauen und entsprechende Dienste in der Cloud zur Verfügung stellen. Zeitraubende Punkt-zu-Punkt-Verbindungen könnten wir auflösen und viel Rechenzentrumslogik und unproduktive Datenhaltung könnten entfallen. Es gäbe keine Genehmigungsprozesse mehr auf der Sachbearbeiterseite, sondern nur noch die Buchungsprozesse.
Was wäre dazu notwendig?
RB: Hier fehlen leider die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es ist definitiv keine Frage der Technik. Sondern eine der Verständigung der Sozialpartner untereinander. Des Wollens. Wenn ich in Bayern im Urlaub in eine Sparkasse gehe, bekomme ich ja dort auch Geld, auch wenn mein Konto nicht bei der Sparkasse in München ist. So ist das heute noch mit dem Datenaustausch mit der eGK. Ein zu stark sektorenbezogenes Denken, das an zukunftsfähigen Lösungen für den Versicherten vorbeigeht.
Ihre persönliche Zukunft …
RB: Die zurückliegenden Jahre bei der AOK Systems haben einen großen, sehr schönen Lebensabschnitt für uns beide bedeutet. Klaus Schmitt und ich waren mehr als zehn Jahre dabei. 2016 möchten wir uns nun aus dem operativen Geschäft zurückziehen und uns nun auch dem Privatleben und Hobbys widmen. Dinge, die in den vergangenen Jahren in intensiven Phasen oft zurückstehen mussten.
KS: All das können wir in dem guten Gewissen tun, dass der große, historische Auftrag aus dem Jahr 2000 erfüllt ist. Und es ist beruhigend zu wissen, dass eine starke und kompetente Führungsmannschaft da ist, die von hier aus ideal weiterarbeiten kann. Egal, wer die beiden Personen an der Spitze der AOK Systems sind. Im ersten Halbjahr 2016 wird das voraussichtlich feststehen und dann kann gegen Ende des Jahres die Übergabe stattfinden.