Roboter zahlen keine Steuer
Intelligente Maschinen, Algorithmen und Roboter nehmen uns immer mehr Arbeit ab. Unser Sozialsystem basiert allerdings auf der Besteuerung der Lohnarbeit. Höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie Arbeit neu verteilt werden muss und wie auch Maschinen zur Wertschöpfung beitragen können.
Die Revolution geht weiter
Die industrielle Revolution konnten die Menschen des 19. Jahrhunderts noch sehen und fühlen: Aus den Fabriken dröhnte und wummerte es, aus den Schornsteinen qualmte der Dampf Tausender Maschinen. Die Digitalisierung vollzieht sich dagegen leise: Wo gestern noch menschliche Arbeitskräfte ihre Tätigkeiten verrichteten, schnurren heute die Prozessoren und bewegen sich in monotoner Stille die Roboterarme. Für viele ist der Befund daher einfach: Die digitale Revolution frisst unaufhörlich ihre Arbeitsplätze. Das stimmt – und stimmt auch nicht. Die Automatisierung hat seit der ersten Maschinenrevolution durch die Dampfmaschine schon immer Jobs vernichtet – die Arbeit wurde deswegen nicht weniger. Ganz im Gegenteil: Auf jeden Beruf, der verschwand, entstanden zwei neue Berufsbilder. Henry Ford hat mit seinem Fließband zwar Kutscher, Wagner und Stallknechte arbeitslos gemacht, gleichzeitig hat er eine neue Arbeitswelt mit Millionen neuen Jobs eingeläutet. Maschinen haben die Menschen von gnadenlosen Knochenjobs befreit und ihnen einen ganz neuen Wohlstand beschert. Ein US-Arbeiter muss heute nur noch 17 Wochen im Jahr arbeiten, um das Realeinkommen eines Kollegen von vor 100 Jahren zu erreichen.
Kollege Maschine übernimmt
Aber nicht nur die Lautstärke, mit der die neue Revolution voranschreitet, unterscheidet sich. Bisher haben die Maschinen nur die Muskelkraft ersetzt, künftig werden sie auch unser Gehirn entlasten – und zwar in einem Ausmaß, dem sich viele heute noch nicht bewusst sind. Verschiedene Studien haben sich in den vergangenen Jahren damit beschäftigt. Ein Bericht der Uni Oxford prophezeit, dass in den nächsten 20 Jahren in den USA etwa 47 Prozent der Arbeiter ihren Job an Maschinen verlieren – vor allem im Niedriglohnsektor. Allerdings hatte in den westlichen Industrieländern die steigende Produktion in den vergangenen hundert Jahren auch immer mehr Jobs für die wachsende Bevölkerung geschaffen. Aufgrund des demografischen Wandels sinken die Bevölkerung und vor allem die Anzahl der Berufstätigen erheblich. Wie genau die Arbeitswelt im Jahr 2050 aussehen wird, weiß keiner. Klar ist allerdings: Sie wird sich erheblich von heute unterscheiden. Der renommierte Ökonom Jeremy Rifkin glaubt, dass sich die Menschen dann nur noch mit dem beschäftigen, was sie interessiert – den Rest erledigen intelligente Maschinen: „Unsere Enkel werden auf die Ära der Massenlohnarbeit mit demselben Staunen zurückblicken wie wir heute auf Sklaverei und Leibeigenschaft“, schreibt er in seinem Buch „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“.
Die neuen Quellen des Wohlstands
Eine Möglichkeit, den Wohlstand neu zu verteilen, wäre die Rendite der Roboterarbeit zu besteuern. Post-Chef Frank Appel hat so etwas unlängst gefordert, auch in Österreich denkt man darüber nach. Und das EU-Parlament muss sich mit dem Antrag befassen, dass Firmen künftig den wirtschaftlichen Beitrag von Robotern und Algorithmen zum Konzernergebnis offenlegen sollen, damit dieser gezielt besteuert werden kann. Ist das überhaupt praktisch umsetzbar? Überlegung zu einer Automatisierungssteuer gab es schon zu Zeiten der Dampfmaschine, funktioniert hat sie nie. Gleichzeitig glauben viele Experten, dass so eine Steuer den Fortschritt bremsen würde. Aber wollen wir das wirklich? Nehmen uns die Maschinen eben nicht genau die Arbeiten ab, die keiner machen will und auch niemand vermisst: eintönige, gefährliche oder ungesunde Tätigkeiten? Es geht auch anders: Ob mit Maschinen oder Menschen – die Firmen machen Gewinne. Wäre nicht der richtige Weg, diese konsequent und ohne Ausnahmen zu besteuern? Der Vorteil: Maschinen arbeiten kostenlos und brauchen keine Altersvorsorge. Ihr „Gehalt“ könnte also zu einem gewissen Prozentsatz der Allgemeinheit zugutekommen. Gleichzeitig werden Produkte und Leistungen durch Automatisierung billiger, die Lebenshaltungskosten sinken. Allerdings brauchen die Einnahmen für den Staat und damit die Sozialsysteme zukünftig eine größere Basis, da der Faktor Arbeit allein längst nicht mehr die einzige Quelle des Wohlstandes ist. Zinsen, Tantiemen, Dividenden, Transaktions- und Spekulationsgewinne, Mieteinnahmen und vieles mehr sollten besteuert werden. Dieses Geld könnte der Staat dann an die Bürger verteilen.
Ein festes Einkommen für alle
Eine Möglichkeit, dieses Geld den Bürgern zukommen zu lassen, wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen. Vor etwa zehn Jahren kanzelten Wirtschaftsexperten dies noch als unrealistisch ab. Heute erlebt diese Idee eine Konjunktur. Unter den Beschäftigten und Gründern aus dem Tech-Bereich hat diese Idee längst viele Anhänger. Kanada, weltweit das Musterland für wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit, denkt darüber nach. Und Finnland startet ein Projekt mit 2.000 Einwohnern. Dass es gerade Finnland erprobt, ist bemerkenswert. Das Land im Norden steckt seit Jahren in einer Wirtschaftskrise. Ein Hauptgrund ist der Niedergang von Nokia, vor wenigen Jahren noch eines der erfolgreichsten und innovativsten Technologieunternehmen. Ein Beleg, wie schnell die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert. 560 Euro jeden Monat bekommen die ausgewählten Finnen. Das entspricht etwa der Sozialhilfe, allerdings darf man jeden Euro, den man dazuverdient, behalten und er wird nicht mit der Sozialhilfe verrechnet. Das soll den Arbeitnehmern die Freiheit geben, sich weiterzubilden, um mit der dynamischen Arbeitswelt Schritt zu halten.
Utopien können Realität werden
Für Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ist das Grundeinkommen noch keine Alternative. Aber auch sie sieht den Schlüssel, um die Beschäftigten für die zukünftige Arbeitswelt zu qualifizieren, in einer viel intensiveren Fort- und Weiterbildung. Gefordert sind hier sowohl die Unternehmen als auch der Staat. Und Nahles ist überzeugt, dass wir aufgrund des technischen Fortschritts künftig weniger und flexibler arbeiten werden – und das bei besseren Löhnen. 1900 betrug die durchschnittliche Arbeitszeit noch 60 Stunden bei einem erheblich geringeren Lebensstandard. Und wer weiß, vielleicht bleibt das dann doch keine Utopie: „Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen“. In der Welt von Kirk und Co. haben die Maschinen den Menschen längst alle Arbeit abgenommen, mangelnder Wohlstand ist kein Thema mehr und die Menschen beschäftigten sich nur noch mit dem, was sie interessiert und im positiven Sinn fordert.