Die Zukunft steht in den Wolken

Cloud Lösungen können z. B. IT-Infrastrukturen über ein externes Netz zur Verfügung stellen

Die Digitalisierung schreitet rasant voran. Die Cloud-Technologie kann helfen, die Innovationszyklen zu beschleunigen und gleichzeitig Investitionen in die Infrastruktur zu vermeiden. SAP-Experte Alexander Reetz spricht über die Vorteile von Cloud-Lösungen und die datenschutzrechtlichen Herausforderungen durch das Sozialgesetzbuch.

Was kann die SAP-Cloud?
Das lässt sich in einem Satz nicht beantworten. Es gibt nicht nur die eine SAP-Cloud, sondern unterschiedliche Cloud-Typen und -Lösungen. Eines ist allen gemeinsam: Mit der Cloud werden Investitionsmittel von der Infrastruktur in Innovation umgelenkt. Ohne in die eigene Infrastruktur investieren zu müssen, bekommen die Anwender sehr schnell innovative IT-Lösungen zur Verfügung gestellt.

Und was unterscheidet die SAP-Cloud von Produkten anderer Anbieter?
Dass wir auch selbst die Applikationen herstellen. Entwicklung und Betrieb sind aus einem Guss. Die Cloud-Technologie spielt in unserer Strategie eine sehr wichtige Rolle. Bei der S/4 HANA, unserer neuen Business Suite, mit der alle Geschäfts- und Supportprozesse umfassend bedient werden, heißt es „Cloud First“. Das bedeutet: Lösungen, die wir zur Verfügung stellen, werden zuerst in einem Release in der Cloud angeboten. Da die Release-Zyklen kurz sind, können Kunden die neuen Funktionen auch schnell nutzen. Des Weiteren wird die Vernetzung aller Teilnehmer im Gesundheitswesen eine zunehmende Rolle spielen. Diese Vernetzung ist nur über Cloud-Lösungen möglich. Die SAP liefert dafür die passende Plattform in der Cloud, auf der fertige SAP-Lösungen genutzt oder individuell erstellt werden können.

Wie verbessern sich Unternehmensprozesse durch Cloud-Anwendungen?
Anpassungen im Betrieb und auch Entwicklungen können viel schneller vollzogen und einem breiten Nutzerkreis zur Verfügung gestellt werden. Der Faktor Time-to-Market, also die Dauer von der Produktentwicklung bis zur Markteinführung, wird erheblich reduziert. Darüber hinaus verbessern Cloud-Lösungen ganz erheblich die Sicherheit. Wer ein Rechenzentrum betreibt und glaubt, kein Problem mit Cyberangriffen zu haben, der hat sie bisher einfach noch nicht aufgedeckt.

Gerade die Datensicherheit spielt in der GKV natürlich eine besondere Rolle.
Natürlich, aber die Krankenkassen verfügen hier über eine hohe Kompetenz und betreiben eigene Rechenzentren. SAP stellt den GKV-Rechenzentren Lösungen zur Verfügung, mit denen Anwendungen in der Cloud erstellt werden können. Die Clouds können die Rechenzentren für ihre GKV-Kunden in eigener Hoheit betreiben. Unsere Cloud-Lösungen erfüllen dazu die Datenschutzanforderungen. Das SAP-Rechenzentrum, das diese Cloud-Lösungen anbietet, steht selbstverständlich in Deutschland.

Ein anderer Aspekt bei Cloud-Lösungen ist die mobile Infrastruktur. Da ist Deutschland noch ziemlich weit zurück, oder?
Es gibt die digitale Agenda der Bundesregierung, welche leider noch nicht abgeschlossen ist.

Federführend für die Digitale Agenda sind das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Bundesministerium des Innern und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Die Abdeckung, wenn wir jetzt über mobile Netze sprechen, ist noch nicht flächendeckend. Da sind wir gefordert, Lösungen zu finden. Müssen mobile Geräte immer direkt auf alle Daten online zugreifen können? Kann man die Daten vielleicht puffern, damit sie auch vor Ort verfügbar sind, wenn der Empfang schlecht ist? Zusammen mit der AOK Systems haben wir schon vor einigen Jahren Lösungen dazu entwickelt.

Wo hat Deutschland Nachholbedarf?
In Deutschland hinkt die aktuelle Entwicklung auch im Gesundheitsmarkt tatsächlich den technologischen Möglichkeiten sowie der Entwicklung anderer Länder hinterher. Die vorhandenen Potenziale zum Wohle der Patienten und Versicherten werden nicht ausgenutzt. Prominentes Beispiel ist hier die eGK oder die Schaffung einer Telematik-Infrastruktur. Bisher wurden hier viel Geld und Zeit investiert, ohne tatsächliche Mehrwerte zu schaffen. Mit dem Tempo auf dem globalen IT-Markt für die Digitalisierung des Gesundheitswesens hält dieser Ansatz nicht Schritt.

Welchen Vorteil hat ein Kunde eines Unternehmens, das mit einer Cloud arbeitet?
Cloud-Lösungen sind ein zentraler Baustein beim Bewältigen der Herausforderungen der digitalen Transformation. Und diese verändert den GKV-Markt nachhaltig. Beteiligte sind ja nicht nur die Versicherten und Kassen, sondern auch andere Mitspieler im Gesundheitsmarkt. Dienstleister, Hersteller, Leistungserbringer und andere arbeiten mit Gesundheitsdaten. Eine Cloud-Plattform wie die Health-Engagement-Plattform der SAP kann diese Partner optimal miteinander vernetzen.

Der GKV-Markt ist kein normaler Markt, vor allem weil er stark gesetzlich reguliert ist. Gibt es ein konkretes Beispiel, wo Cloud-Lösungen von Nutzen sein können?
Die Hürden, die wir im deutschen Gesundheitswesen sehen, sind vielfältig. So stehen gesellschaftliche und politische Bedenken zum Datenschutz und zur Privatsphäre den Mehrwerten für den Einzelnen bei der Nutzung persönlicher Daten gegenüber. Außerdem gibt es meiner Meinung nach auch Ängste von Beteiligten im Gesundheitswesen vor zusätzlicher Transparenz. Konkrete Anwendungsbeispiele für Cloud-Lösungen im GKV-Markt sind im Bereich Prävention zu finden. So wird dem Versicherten und weiteren Beteiligten in Phasen der Betreuung bei Diabetes oder in der Schwangerschaft ein cloudbasiertes Netzwerk angeboten, bei dem die individuelle Kommunikation unterstützt wird. Dabei können auch persönliche Gesundheitsdaten via Gesundheitstracker oder „wearables“ mit einbezogen und genutzt werden.

Und wie sieht es bei oscare® aus?
Die AOK Systems ist seit vergangenem Jahr dabei, die Front-End-Gestaltung beim User-Interface für den Mitarbeiter – zukünftig vielleicht auch für Versicherte in der Online-Geschäftsstelle – zu optimieren. Die Entwicklung erfolgt über die HANA-Cloud-Plattform und kann dann schnell vollzogen und integriert werden. Für die Entwicklung ist das datenschutzrechtlich kein Problem. Wenn es um den Betrieb geht, spielen die Herausforderung des Sozialgesetzbuches eine Rolle.

Warum?
Die Verarbeitung sozialversicherungsrelevanter Daten darf nicht in irgendeiner Cloud stattfinden, sondern muss den gesetzlichen Anforderungen des SGB genügen. Wir planen bereits, die HANA-Cloud-Plattform den GKV-Rechenzentren zur Verfügung zu stellen. Diese werden dann zum Cloud-Anbieter und erfüllen die SGB-Anforderungen.

Was ist die HANA-Cloud-Plattform genau?
Eine Entwicklungs- und Betriebsumgebung, auf der Ergänzungen zu bestehenden IT-Lösungen konzipiert, erstellt und betrieben werden können. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Wenn es darum geht, zusätzliche Anwendungen zu entwickeln oder das Internet der Dinge zu integrieren, dann muss man sehr schnell sein. Da braucht es viel schnellere Projektzyklen. Und dafür ist die HANA-Cloud-Plattform bestens geeignet.

Cloud Plattformen können Partner in der GKV miteinander vernetzen

Geht es noch konkreter?
Wir haben so eine Cloud-Lösung heute schon im Bereich Business Intelligence. Dort können die Krankenkassen Analyseanfragen stellen. Die Analysten stellen zusammen, welche Daten sie brauchen. Die Tools in der Cloud greifen auf die unterschiedlichen Datentöpfe zu. Die Daten befinden sich aber nicht in der Cloud. Dort bekommen die Anwender nur die Ergebnisse angezeigt.

Hört sich kompliziert an.
Ist es aber nicht und es entschlackt die Rechenzentren erheblich, da diese die analytische Lösung nicht aufbauen müssen. Sie können sich weiterhin darauf konzentrieren, die Daten sicher vorzuhalten.

Die Cloud ist also die Lösung für die Zukunft?
Die Cloud ist kein Allheilmittel, sondern ein zentraler Baustein beim Bewältigen der Herausforderungen der digitalen Transformation. Gerade in der Kundenkommunikation und in der Vernetzung muss man sich trauen, auch Dinge auszuprobieren. Die Cloud kann helfen, schnelle und auch kostengünstige Lösungen zu finden – und im Zweifelsfall ist man auch wieder schnell raus. Kurzum: Clouds sind eine Investition in Innovation und nicht in die Infrastruktur.

Zur Person:
Alexander Reetz ist in seiner Rolle als Senior Account Executive der SAP Deutschland für den GKV-Markt verantwortlich. Er ist ausgebildeter Versicherungskaufmann. Nach seinem Studium der Elektrotechnik in Wuppertal war er als Firmenkundenbetreuer beim Gerling-Konzern tätig und lernte dort das Versicherungsgeschäft von innen kennen. Als Key-Account-Manager bei Dun & Bradstreet und der IDS Scheer beschäftigte er sich, diesmal von außen, im Schwerpunkt mit Prozessmanagement bei Versicherungen und Banken. Vor seiner Zeit bei SAP war er verantwortlich für den Vertrieb von Information-Management-Lösungen bei den strategischen Versicherungsgroßkunden der IBM Deutschland.