Lernen aus Daten
Die neue Plattform für digitale Innovationen „SAP Leonardo“, ist ein Produkt der SAP. Sie beinhaltet Themen wie Internet of Things, Blockchain, Analytics, Big Data. Und natürlich auch künstliche Intelligenz (KI). Grund genug, sich diese SAP-Leonardo-Plattform genauer anzuschauen. Kathrin Elo, Projektleiterin KI bei der AOK Systems, gewährt im Interview einen besonderen Einblick.
KI ist in aller Munde. Genauso wie der Begriff digitale Transformation. Wie ist der Zusammenhang?
Die gesetzlichen Krankenversicherungen wollen im Rahmen der digitalen Transformation zunehmend einfache Tätigkeiten automatisieren. Wir haben in der AOK Systems u. a. mit APD und Prozesstracking bereits Produkte, mit denen wir das umsetzen können. KI und insbesondere Machine Learning sind weitere wichtige Faktoren in der voranschreitenden Digitalisierung der Krankenkassen. Insbesondere mit Bild- und Texterkennung, die in SAP Leonardo bereits implementiert sind.
Gibt es für die Nutzung bei Krankenkassen ein konkretes Beispiel?
Da gibt es einige. Bekannt ist das Thema für den Bereich Bild zur Produktion der elektronischen Gesundheitskarte. Aber auch im Bereich Texterkennung gibt es viele spannende Fragestellungen. Eine, die man hier herausheben kann, ist die Klassifikation der eingehenden schriftlichen Kommunikation: Krankenkassen bekommen eine große Anzahl Briefe und E-Mails, die angeschaut, sortiert und bearbeitet werden müssen. Es wäre eine enorme Arbeitserleichterung, wenn hier ein Verfahren maschinell unterstützt, das automatisch erkennt, welchem Fachbereich die Anfrage zugeordnet ist. So kann das Anliegen direkt an den entsprechenden Mitarbeiter weitergeleitet werden.
Neben der Arbeitserleichterung gibt es wahrscheinlich auch eine Kostenersparnis. Welche weiteren Vorteile bringt der Einsatz von KI für die Krankenkassen mit sich?
Die Forschung schreitet gerade hier ganz rapide voran, daher ist vieles vorstellbar. Bis dahin, dass man sogenannte Bots, Chat- oder Speechbots, einsetzt. Wenn ein Versicherter bei einer Krankenkasse anruft, geht heute ein Sachbearbeiter an das Telefon und fragt zunächst nach dem Anliegen sowie den persönlichen Daten: Name, Geburtsdatum, etc. - bis der Anrufer im Bestand identifiziert werden kann. Erst dann erfolgt die Weiterleitung zum passenden Kundenberater. Das ist ein schönes Beispiel für aufwendiges Tagesgeschäft, das wir in Zukunft durch ein Bot erledigen lassen können. Das spart Zeit und Zeit ist Geld und macht Ressourcen frei, die eine Krankenkasse in andere Aufgaben investieren kann. SAP Leonardo bietet auch im Hinblick auf Chatbots ein Produkt an, das wir derzeit genauer unter die Lupen nehmen und prüfen.
Machine Learning stellt in gewisser Weise auch das Entwicklungsvorgehen etwas auf den Kopf, oder?
Ja und dazu muss man den Unterschied zwischen Machine Learning und der derzeitigen Entwicklung unserer Anwendungen verstehen. Heute entstehen die Programme, indem wir beim Programmieren feste Rechenvorschriften oder Bedingungen festlegen. Dazu müssen wir konkret wissen, wie wir zum gewünschten Ergebnis kommen und fassen das dann in Regeln. Zukünftig kann das eine Maschine übernehmen, und zwar tausend- bis zu millionenfach.
Wie muss man sich das vorstellen?
Wenn man z. B. ein Bild hat und wissen möchte, wie alt die Person ist und ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, ist es praktisch unmöglich, das in Regeln zu fassen. Da kann Machine Learning helfen. Die Maschine lernt z. B. aus tausenden Bildern, das Alter und Geschlecht von Menschen zu erkennen und speichert die Kriterien. Beim Hochladen eines neuen Bildes vergleicht sie es mit ihrem gelernten und gespeicherten Wissen, überprüft Ähnlichkeiten und stellt dann fest, dass es sich wahrscheinlich um einen Mann handelt, der um die 50 Jahre alt sein dürfte. Das ist die neue Qualität beim Machine Learning. Wir können Themen abdecken, die wir bisher nicht in Regeln fassen konnten. Nun ist es möglich, neue Anwendungen zu entwickeln, die z. B. Texte verstehen, Bilder erkennen oder Gespräche führen. Das ist für die Krankenkassen eine riesige Chance mit einem enormen Potenzial zur Entlastung der Mitarbeiter von aufwändigen Routineaufgaben, eine echte Win-win-Situation. Hierfür benötigen wir eine Plattform wie SAP Leonardo.
SAP Leonardo ist also die Grundlage dafür?
Ja genau. SAP Leonardo bietet die Basis, auf der wir die verschiedensten Services für Prozesse, die bisher nicht automatisiert durchgeführt werden konnten, automatisieren können. Das macht den bahnbrechenden Unterschied aus und ist deswegen hochinteressant.
Welche Voraussetzungen würde es für den Einsatz von SAP Leonardo geben?
Heute sind für SAP Leonardo sehr leistungsfähige Rechner notwendig, weil sich die Programme ständig weiterentwickeln. Viele Funktionen des SAP Leonardo Portfolios sind daher nicht im Rechenzentrum auf Systemen installiert, sondern zu wesentlichen Teilen auf der SAP Cloud Plattform verfügbar. Auf der einen Seite ist das eine schöne Sache, weil man sich nicht um den Betrieb und die Anpassung kümmern muss, auf der anderen Seite ist es auch eine Erschwernis, weil die entsprechenden Fälle und Daten zum Lernen erst in diese Cloud gebracht werden müssen. Das ist im Bereich der Krankenkassen, wo es um Sozialdaten geht, oft sehr kritisch. Um dann weiterzukommen, kann z. B. geprüft werden, ob die zum Lernen notwendigen Inhalte im Vorfeld anonymisiert werden können.
Die Maschine hat zum Zeitpunkt der Einführung bereits einen großen Teil gelernt, hört das Lernen dann auf?
Keinesfalls. Die Modelle müssen aktuell gehalten werden, wir sprechen von Trainingszyklen. Regelmäßig, z. B. zwei- oder viermal im Jahr, bedürfen die Anwendungen eines Trainings mit zwischenzeitlich aufgelaufenen Fällen oder neuen Informationen. Dieses Training wird regelmäßig wiederholt, damit immer alles aktuell bleibt.
Wie sehen die nächsten Schritte aus und welche weitere Vorgehensweise ist geplant?
Bis Ende des Jahres evaluieren wir das Machine Learning, insbesondere mit SAP Leonardo, indem wir zunächst zwei Anwendungsbeispiele implementieren. Wir überprüfen sie dann im Hinblick auf Funktionalität und Machbarkeit. So bekommen wir außerdem ein Gefühl für die Software. Wenn das Evaluierungsprojekt beendet ist, wollen wir gerne in die praktische Umsetzung von Anwendungsfällen mit unseren Kunden einsteigen.
Bei den Krankenkassen vor Ort?
Anbieten könnte sich zunächst die Entwicklungspartnerschaft mit einer Krankenkasse. Eine Besonderheit des Machine Learning ist, dass wir keine Testfälle bauen können. Wir brauchen also Tausende reale Beispielfälle, damit das System üben und lernen kann. Und diese Daten können wir nur von den Krankenkassen bekommen. Es wären also ideale Bedingungen, gemeinsam mit Krankenkassen zu entwickeln. Es ist unsere Intention, dann die neuen Anwendungen in den oscare® Standard zu implementieren und integrieren. Unsere Erwartungen an das Machine Learning sind hoch und wir glauben, dass wir gemeinsam ein großes Potenzial entfalten könnten