Ohne Karten und Konnektoren
Mit der ePA ist das deutsche Gesundheitswesen gerade erst in eine neue Welt gestartet, da präsentiert die gematik mit dem Whitepaper „TI 2.0 – Arena für digitale Medizin“ bereits Eckpunkte für eine Weiterentwicklung der Telematikinfrastruktur (TI). Warum das nötig ist und warum auch gerade jetzt, erklärt BMG-Unterabteilungsleiter Christian Klose.
Seit Anfang des Jahres ist die ePA online. Die wenigsten wissen das oder nutzen sie. Der Zusatznutzen durch die ePA ist derzeitig auch noch eher dürftig. Warum geht es nicht voran?
Anfang des Jahres ist die elektronische Patientenakte – kurz ePA – mit einer Testphase gestartet. Das heißt, dass in ausgewählten Praxen das Zusammenspiel der notwendigen technischen Komponenten erprobt wird. Herausfordernd für den Start des größten IT-Projekts in Europa ist, dass wir uns immer noch mitten in einer weltweiten Pandemie befinden. Die Situation in Arztpraxen ist zum Teil angespannt, Versicherte können sich nicht so reibungslos wie geplant für die ePA authentifizieren.
Ist das dann wirklich der richtige Zeitpunkt, um die Telematikinfrastruktur umzubauen? Und warum und wie muss die Telematikinfrastruktur dringend umgebaut werden?
Der Zugang zu medizinischen Diensten, Informationen und letztendlich zur Telematikinfrastruktur muss und kann besser, schneller, komfortabler und leichter gehen und dabei nicht weniger sicher. Die Basis dafür sind neueste technologische Entwicklungen.
Konkret?
Mit dem Diskussionspapier „Whitepaper TI 2.0“ stellen wir klare Grundparameter in den Mittelpunkt: Nutzerzentriertheit, Interoperabilität und stabiler, sicherer Betrieb. Dafür braucht es jetzt einen Technologiesprung. Die TI 2.0 steht für ein Plattformmodell, das das vergleichsweise starre System schrittweise ersetzen kann. Es ist eine fließende Ergänzung zum bestehenden System, also eine Alternative, bis die TI 1.0 nicht mehr benötigt wird. Im Kern geht es um die Bereitstellung von Diensten und das Ermöglichen der freien Kommunikation zwischen Diensten und Nutzern. Auch die TI 1.0 folgt bereits diesem Plattformgedanken.
Hört sich nicht gerade nach einem einfachen Vorhaben an.
Wichtig ist, dass nun zunächst aktuell ein breiter Diskurs sowohl innerhalb der Gesellschafterstruktur der gematik als auch darüber hinausgehend zum nötigen Erkenntnisgewinn für folgende Entscheidungen zur Weiterentwicklung der TI gestartet ist. Hierfür bietet das Whitepaper die sehr gute Diskussionsgrundlage.
Was ist das Ziel der Neuorganisation?
Unser gemeinsames Ziel ist, die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland einen großen Schritt voranzubringen. Die TI ist dafür der Schlüssel. Alle weiteren Maßnahmen zum Ausbau der digitalen Medizin und einer digital unterstützten Gesundheitsversorgung hängen von ihr als leistungsstarkem Bindeglied ab. Dafür muss die TI upgedatet werden, um sowohl national als auch grenzüberschreitend anschlussfähig zu sein.
Welche Aufgabe hat dabei die gematik?
Die gematik fungiert quasi als Gastgeber: Sie sichert die Qualität und überwacht die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen und Betriebsregeln. Und sie stellt für die Nutzer der Telematikinfrastruktur die notwendigen Grundfunktionalitäten zur Verfügung. Von der reinen Betreibergesellschaft der Telematikinfrastruktur wird die gematik zur Nationalen Agentur für digitale Medizin.
Und was müssen die Krankenkassen, die Ärzteschaft und andere Leistungserbringer leisten?
Die Krankenkassen haben pünktlich zum 1. Januar 2021 die ePA für ihre Versicherten zur Verfügung gestellt. Das war nur mit einem harten und engagierten Einsatz der Beteiligten möglich. Hierfür habe ich große Anerkennung und mir ist es wichtig, hier auch von Herzen Danke zu sagen. Die ePA stellt ein zentrales Instrument der Digitalisierung des Gesundheitswesens dar. Insoweit war dies ein ganz wichtiger erster Schritt. Die Digitalisierung im Gesundheitsbereich und die Weiterentwicklung der TI – das ist ein Kraftakt, den wir nur gemeinsam partnerschaftlich stemmen können, mit allen Beteiligten und Partnern zusammen.
Was ist ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei?
Gelingen wird das nur, wenn wir an einem Strang ziehen und die digitalen Angebote und Neuerungen zum Beispiel gemeinsam kommunizieren, damit Versicherte auch umfassend von diesen erfahren und sie nutzen können. Denn nur dadurch werden sie sich durchsetzen und künftig ein Bestandteil unseres Alltags sein.
Wenn die Digitalisierung, gerade im Gesundheitswesen, hierzulande schon deutlich weiter wäre, kämen wir dann eigentlich besser durch die Pandemie?
Digitale Anwendungen helfen natürlich bei der Bewältigung der Coronapandemie – zum Beispiel bei der Übermittlung der SARS-CoV-2-Nachweise und bei der Kontaktverfolgung. Daran haben wir in den vergangenen Monaten mit Hochdruck gearbeitet und entscheidende Erfolge erzielt. Corona hat insgesamt zu einem Digitalisierungsschub geführt – in verschiedenen Gesellschaftsbereichen.
Whitepaper „TI 2.0 – Arena für digitale Medizin“
Mit der TI 2.0 stellt die gematik komplexe, aber klare Grundbedingungen wie Nutzerzentriertheit, Interoperabilität und einen stabilen sicheren Betrieb in den Mittelpunkt der Konzeption, dafür braucht es jetzt einen Technologiesprung. Die gematik als Nationale Agentur für Digitale Medizin schafft eine gemeinsame Arena für alle Akteure, in der die Teilnehmer gewissermaßen einem olympischen Geist verpflichtet sein sollen. Die gematik will dabei Teamwork und Spitzenleistungen in der Gesundheitsversorgung und dem Gesundheitsmanagement durch benötigte Infrastruktur und Dienste unterstützen.
Die nutzerorientierte Ausrichtung des Angebots ist dabei das A und O. Die neue Architektur der TI basiert auf sechs fundamentalen Säulen: Einem föderierten Identitätsmanagement, weil mit dieser „Brücke“ mehr Flexibilität und Nutzerfreundlichkeit durch die einfache Nutzung von Identitätsbestätigungen der TI für eigene digitale Angebote der Nutzergruppen möglich ist. Der universellen Erreichbarkeit der Dienste durch Zugangsschnittstellen im Internet, weil der Wegfall proprietärer IT-Lösungen, etwa Konnektor, Kosten senkt, den Betrieb stabilisiert und die Integration weiterer medizinischer Berufsgruppen erleichtert.
Einer modernen Sicherheitsarchitektur, weil diese die eigenständige Bereitstellung von Diensten durch unterschiedliche Anbieter ermöglicht und sowohl sicherer als auch effizienter ist. Verteilte Dienste, weil aus Sicht optimierter Versorgungsprozesse die Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellen notwendig ist. Interoperabilität und strukturierte Daten, weil die anwendungsfallbezogene Versorgung und Forschung eine Verbesserung der Datenqualität erfordert. Standardbasierte strukturierte Daten und Schnittstellen erhöhen die Verfügbarkeit bei Produkten und Services. Sowie einem automatisiert verarbeitbaren Regelwerk der TI, weil eine automatisierte Überprüfung der Sicherheit und des Datenschutzes sowie der Interoperabilität und Verfügbarkeit das Vertrauen in die TI stärkt.
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